Welche Stellung hat eigentlich der Rechtsanwalt in einer Online-Redaktion? Ist er dem Chefredakteur untergeordnet? Oder sein Vorgesetzter? Angesichts von Pressekodex und Presserecht sollte man doch meinen, das Verhältnis zwischen Redaktion und Rechtsberater liege klar auf der Hand. Aber weit gefehlt. Drei große Onlinepublikationen – heise online, Spiegel Online und Chip online – haben gerade erst gezeigt, wie weit man als Redaktion den Schwanz einkneifen kann. Oder eben auch nicht.

Es wird gerippt, gesaugt und geburnt in deutschen Netzen. Der Musikindustrie missfällt’s, die Gesetzgebung kommt nicht hinterher, der Platz dazwischen wird aufgefüllt mit Lobbying und ersten Gerichtsurteilen. Der Weisheit letzter Schluss ist dies allerdings noch lange nicht, weshalb allenorts Unsicherheit herrscht. Gerade auch in den Redaktionen. Wie soll man denn nun darüber berichten?

Ein Gericht hat heise online kürzlich zwar erlaubt, über die Kopierschutzknackerfirma slysoft zu berichten, aber gleichzeitig verboten, einen Link dorthin zu setzen. Nun hat eine bekannte Anwaltskanzlei im Auftrag der Musikindustrie zahlreichen Websites Unterlassungserklärungen samt Kostennote geschickt, um den Link auf den russischen Musikdienst allofmp3 zu unterbinden. Was juristisch ein völlig anderer Fall ist, zumal der Slysoft-Fall in die Berufung gegangen und somit nicht rechtskräftig geworden ist.

Um die juristische Seite geht es hier auch gar nicht, da haben andere schon trefflich drüber geschrieben. An diesen Fällen zeigt sich nur, wie die journalistische Arbeit von der Größe des anwaltlichen Etats abhängt. Traurig, aber wahr. Der Heise-Verlag scheut wieder einmal nicht das Scharmützel vor Gericht. Im Gegenteil, der Verlag sucht aktiv eine Entscheidung darüber, was journalistisch zulässig ist. Ob es nicht zum Wesen eines Onlinemagazins gehört, Links zu setzen.

Auch im aktuellen Fall hat heise online wieder einen Link gesetzt. Chip online dagegen knickt ein, unterschreibt eine Unterlassungserklärung und entfernt alle Links in Artikeln und Forumseinträgen. Da wird der Schwanz so weit eingezogen, dass er nicht mehr zu sehen ist. Egal, ob die Musikindustrie im Recht ist oder nicht, es wird einer möglichen Konfrontation aus dem Weg gegangen. Man kann jetzt darüber spekulieren, ob der Anwalt im Gegenzug für dieses freundliche Entgegenkommen auf die Erstattung seiner Gebühren verzichtet hat. die Einigung auf einen gemeinsamen Nenner wäre dies. Auf journalistischer Chip-Seite allerdings zu Lasten der Glaubwürdigkeit. „Andreas‘ Journal“ bringt es wohl auf den Punkt: „Darum CT und nicht Chip lesen“.

Geschuldet ist dies bei Chip online wohl der dortigen Kostenstruktur und Arbeitsweise. Für einen Anwalt wird wohl nicht viel Geld eingeplant sein. Und es spielte auch keine Rolle, ob man letztlich Recht bekommt oder nicht. Denn falls die Prozesskosten auch letztlich die Gegenseite trüge, viel schwerer wiegt die Zeit, die Geschäftsführung und Chefredaktion bei einer solchen Auseinandersetzung verlieren würden. Aber davon hat man sich im aktuellen Fall ja anscheinend freigekauft. Durch bereitwilliges Entfernen der Links.

Interessant ist, wie Spiegel Online sich verhält. Selbstverständlich berichtet man auch dort über den Fall. Und zwar inhaltlich in vorbildlicher Weise. Der Link wird hier – anders als bei heise online – allerdings nicht gesetzt, der Leser kann ihn sich aber dennoch erschließen. Informationen werden ihm also nicht vorenthalten. Statt zu klicken, muss er nun tippen. So schlimm ist das auch nicht.

Spiegel Online hat die goldene Mitte gewählt: Es wird offen berichtet, aber ohne selbst eine Angriffsfläche zu bieten. So hält man die Glaubwürdigkeit aufrecht, aber die Anwaltskosten gering. Ein Vorbild für viele Redaktionen – gerade auch für diejenigen mit kleinem Etat. Auch wenn Spiegel Online die Resourcen hat und den Mut haben sollte, sich an die Seite von heise online zu stellen. Aber egal.