Die Zeit hat neben dem bestehenden Angebot „Zeit online“ ein eigenständiges Newsportal „Zeit News“ aus der Taufe gehoben. Damit wächst auch die Hoffnung auf einen qualitativ ebenbürtigen Konkurrenten von Spiegel Online. Vorerst gibt sich Zeit News aber noch als Aschenputtel, auf den ersten Blick kommt das neue Portal im zeitüblichen Grau-in-grau daher. Dagegen habe ich schon des öfteren gestichelt, aber jetzt muss ich an dieser Stelle wohl Abbitte leisten.

Die ständigen Veränderungen der letzten Monate zeigen, dass sich zeit.de in einem ständigen Prozess befindet, was wir bisher gesehen haben, war nie der Endzustand, auch diesmal nicht. Das scheint schon einmal eine große Leistung zu sein, andere Portalbetreiber spendieren ihrem Auftritt alle ein, zwei Jahre ein Redesign und dann wird weitergearbeitet wie bisher. Die Zeit jedoch scheint ihren Internetauftritt als etwas zu begreifen, das ständig im Wandel ist.

Meine anfängliche Enttäuschung über die kleinen Schritte rührte daher, dass man die Veränderungen nicht auf einen Blick sah und damit auch nicht wusste, wohin die Reise gehen sollte. Diese schwarzen Blocküberschriften finde ich pottenhässlich, nach wie vor. Es kommt aber nicht darauf an, dass sich der Chefredakteur zum Webdesigner setzt und sagt „mach da mal ne andere Farbe hin“, und dann werkelt man für ein paar Minuten im Stylesheet rum. So läuft das allerdings in kleine Onlineredaktionen!

Zeit online wird immer noch von einem Vier-Spalten-Layout beherrscht, dann auch noch im Schachbrettmuster. Wirkliche Ankerpunkte bieten sich den Augen so nicht. Das habe ich kritisiert, werde ich auch weiter kritisieren. Aber auf den Unterseiten, auf den Themenseiten hat sich nach und nach eine neue Struktur durchgesetzt. Man kennt das Zwei-Spalten-Layout von Spiegel Online: linksbündig ein Textblock, rechts die Sidebar. Die Zeit kehrt das schon mal um, das ändert aber nicht grundsätzlich etwas an der neuen Übersichtlichkeit (wobei die bisherigen Schritte noch lange nicht reichen).

Soweit zur reinen Usabiltiy-Lehre, dass der Textbereich aber einen 462er-Banner und die Sidebar einen 300er-Rectangle aufnehmen kann, freut sicherlich auch den Vermarkter resp. den Verlag, und das ist in diesem Fall die ZEIT online GmbH, also ein reiner Onlineverlag. Hier ensteht kein Beiwerk zur Zeitung, sondern etwas Eigenständiges, das sich auch wirtschaftlich selbst tragen soll.

Zwischenfazit: Die Zeit scheint sich in den letzten Monaten darauf konzentriert zu haben, die richtigen Strukturen zu schaffen. Dass man das nicht immer sofort gesehen hat (die Zeit glänzt eher mit Insellösungen, einzelnen Themenseiten oder einzelnen Blogs), das wird sich aber in Zukunft auszahlen. Vieleicht ergibt das dann mittelfristig auch endlich eine Alternative zu Spiegel Online.

Zeit News habe ich mir auch mal näher angeschaut. Die Rubriken haben eigene Blöcke wie auf Spon, alle Teaser sind gleich formatiert, keiner ist bebildert. Auch die Sidebar ist seltsam ungefüllt, und dann findet sich dort das Reisewetter und die Lottozahlen. Das ist nun wirklich eine Betaversion, da werden technische Abläufe geprobt. Ich gehe mal davon aus, dass sich das Portal in den nächsten Wochen mit Leben füllen wird. Momentan finden sich dort (fast) nur Agenturmeldungen.

Gespannt bin ich, wie sich das Verhältnis von Zeit online und Zeit News entwickeln wird. Der Spiegel hat eine einfache Lösung gefunden. Unter www.spiegel.de findet sich das Newsportal, zu den Seiten des Printmagazins muss man sich durchklicken. Das handhabt Zeit online derzeit auch so, aber ich kann mir vorstellen, dass unter www.zeit.de die Seiten zur Zeitung verbleiben, denn Zeit News ist kein eigenständiges Angebot der Zeit, sondern wird zusammen mit dem Tagesspiegel betrieben. Da gibt es einiges auszubalancieren. Auf jeden Fall bleibt zu hoffen, dass bald der Prinz vorbeikommt und dem Aschenputtel ein schöneres Kleid verpasst.