Sechs Wochen nach dem Relaunch bessert Spiegel Online nach. Überraschend kommt dies nicht, der nachträgliche Griff ins Schminkköfferchen war angekündigt, und in den letzten Tagen sprang bereits die Anzahl der Topthemen (oder Aufmacher) stundenweise von fünf auf sechs. Bei den zwei Eilmeldungen, die ich gestern zu Gesicht bekam, waren es sogar zeitweise sieben, bei den sechs scheint es nun zu bleiben. Wer die Aufmacher der einzelnen Ressorts ansteuern möchte, muss nach wie vor weit nach unten scrollen.

Nach dem Relaunch hatte ich den Eindruck (mangels ausreichend Screenshots kann ich ihn leider nicht belegen), dass weniger News veröffentlicht wurden, zumindest dass die Rotation auf der Startseite von Spiegel Online träger geworden war. In Verbindung mit den größer oder auffälliger gewordenen Aufmachern bedeutet dies: Noch weniger Meldungen müssen noch mehr Aufmerksamkeit an sich binden.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man durch die Erhöhung der präsentierten Topthemen (und natürlich einer guten Auswahl) die Page Impressions der gesamten Website merklich erhöhen kann. Das freut zwar denjenigen, der die Werbeplätze vermarktet, ist aber noch lange kein journalistisches Konzept.

Spiegel Online hat gestern 117 Newsmeldungen veröffentlicht (nachgezählt in den Schlagzeilen), niemand kann die alle lesen. Die Aufmacher sollen dazu dienen, in diesem Wust an Meldungen die wichtigen Informationen herauszufiltern, die berühmte Gatekeeperfunktion. Doch anscheinend hat Spon mit dem Relaunch das Tor verkleinert. Mir fallen bei einem stündlichen Besuchsrhythmus immer weniger Veränderungen auf. Für neue Leser, die noch keine große Bindung an das Newsportal haben und nur sporadisch vorbeischauen, mag dies allerdings ein Vorteil sein, Stammlesern muss man dann allerdings attraktive Angebote machen, weiter in die Website einzutauchen.

Eine Gegenüberstellung der Starsteite mit fünf und sechs Aufmachern zeigt interessanterweise keinen merklichen Unterschied, der obere Teil der Startseite ist nur um wenige Pixel länger geworden. Allerdings handelt es sich auch hier um keine repräsentative Aussage, bei diesem Vergleich wurden willkürlich zwei Screenshots herausgegriffen.

Die (kleine) Änderung ist damit gar nicht so interessant, vielmehr aber, was sich nach diesen sechs Wochen Nachreife nicht verändert hat: Die einzelnen Ressorts fristen immer noch ein Schattendasein. Schon beim eigentlichen Relaunch hat Spiegel Online in der Haupt- bzw. Topnavigation neben den Nachrichten u.a. die Bereiche Videos, Spiegel Digital und Abos + Shop als dominante Elemente gesetzt. Erst in der Subnavigation der Nachrichten findet man die einzelnen Ressorts.

Klickt man sich dann in ein einzelnes Ressort, gelangt man auf eine völlig uninspirierte Seite, auf der von oben nach unten eine Menge Teaser aufgereiht sind, in zwei unterschiedlichen Teaserformaten, getrennt durch die von der Startseite bekannte Multimedialeiste. Und was bringt mir das? Hier sollten sich eigentlich die einzelnen Schwerpunkte der einzelnen Ressorts wiederfinden, tun sie aber nicht. Wo finde ich im Ressort Kultur die wirklich guten Fernsehkritiken, gesammelt an einem Ort? Wo die Kinokritiken? Wo den Zwiebelfisch? Muss ich dafür wirklich in der Sidebar rechts noch die einzelnen Elemente danach absuchen?

Auch die neuen Links in den Ressortboxen auf der Startseite, die zu den einzelnen Ressorthemen führen, können dieser Lieblosigkeit (oder Desorientierung?) nichts entgegensetzen. Leider. Spiegel Online hat nach einem guten Relaunch nochmals ein paar gute Verbesserungen vorgenommen (auf die ich hier nicht eingegangen bin), aber einige Baustellen blieben nach wie vor unbearbeitet. Es bleibt noch einiges zu tun.