Man nehme ein paar Webdesigner und einen Haufen Onlineredakteure und setze sie an einen Tisch. Zusammen entwickeln sie dann viele Ideen und lauter Keine-Probleme. Dann stellen sie erstaunt fest, dass die Webdesigner für eine Agentur arbeiten und viel Geld kosten. Das Ergebnis ist schließlich ein moderates Facelifting mit zuviel Konzept und zu wenig Liebe bei der Umsetzung. Genau das scheint sueddeutsche.de passiert zu sein. Das heutige Redesign enttäuscht.

Aber zurück zum ersten Blick. Sueddeutsche.de ist offensichtlich geliftet worden, und der Bauch reagiert normalerweise darauf mit Wohlgefallen: Sieht schön aus. Sieht es auch, aber finde ich mich auch besser zurecht? Denn das wird darüber entscheiden, ob ich sueddeutsche.de in Zukunft nutzen werde, vielleicht sogar an Stelle von Spiegel Online.

Ich fange mal oben an. Im Header fällt mir eins ins Auge, der Schriftzug sueddeutsche.de. Allerdings weiß ich doch, wo ich bin, schließlich habe ich die Seite selbst aufgerufen. Was ich weniger klar und deutlich erkenne, ist die Navigation, sind die einzelnen Rubriken. Da ist immer nur eine dünne Schrift auf einem hellen Untergrund.

Sueddeutsche.de verzichtet in seinem Header auf Kontraste, auf dominante Balken oder etwas, das mir und meinem Auge Orientierung gibt. Das ist zwar eine ähnliche Anordnung, wie Spiegel Online sie hat, wirkt aber komplett anders. Unscheinbar. Diese strukturgebenden Elemente fehlen auch auf dem Rest der Seite, zur Abgrenzung der einzelnen Bereiche, aber auch innerhalb der Aufmacher, der Sidebar und der Ressortplätze.

Sechs Aufmacher hat sueddeutsche.de, daneben eine Sidebar. Links passt ein 468-Pixel-Banner rein, rechts ein 300-Pixel-Rectangle. Zumindest das hat geklappt. Man könnte meinen, das sei bei Spiegel Online abgekupfert, ist es aber nicht. Spon gibt den News mehr Platz und lässt anscheinend die Werbetreibenden ihre Werbeformate für die Website anpassen.

Was sueddeutsche.de anders macht, ist ein horizontaler Balken unter den Aufmachern und darunter viel Platz für die einzelnen Ressorts. Auch hier ein Zwei-Spalten-Layout, allerdings mit einer 50/50-Aufteilung. Man muss Muße mitbringen, da das Auge gezwungen ist, viel zwischen den einzelnen Blöcken zu springen. Typisch Zeitungsmacher.

Wer seinen Leser einen schnellen Überblick verschaffen möchte, sollte die Newsüberschriften auf einer Geraden anordnen, die das Auge abfahren kann. Gibt es eigentlich so etwas wie die Schlagzeilen bei Spiegel Online? Ich habe sie nicht gefunden. Eine einfache, chronologische Auflistung aller Newsmeldungen, die fehlt. Andernfalls ist man gezwungen, sich in jedes Ressort hineinzuklicken. Leute, Newsportale zu lesen funktioniert anders als Zeitungslesen.

Hinzu kommt noch, dass sueddeutsche.de nicht allzu viele Newsmeldungen auf die Startseite bringt. Neben den Aufmachern sind das pro Ressort ein weiterer Aufmacher plus drei einfache Newsmeldungen. Das ist zu wenig. Die Bilder sind sehr dominant, jedenfalls dominanter als die Ressortnamen und die Überschriften. Da springt eindeutig das falsche Element ins Auge.

Tja, und da ich mir sueddeutsche.de schon einmal anschaue, noch ein Blick auf die Inhalte. Um 18 Uhr waren hier folgende Aufmacher zu finden:

– Razzia bei Ratiopharm
– Im neuen Kleid
– Warum sollen Männer das Emanzenblatt kaufen?
– Bitte mehr Bits
– Kein Neuer auf dem Markt
– Promis und ihre Schönheitsfehler

Und der Vergleich mit Spiegel Online zur selben Zeit:

– CSU will 120 Euro Straßengebühr
– Polizei gibt Entwarnung – Serienkiller gefasst
– Abbas‘ riskantes Wahl-Manöver
– Die Killer vom Dach der Welt
– BVB feuert van Marwijk, Hitzfeld sagt ab
– Ärger für Medien-Medicus Grönemeyer

Da hat der vermeintliche Hort des Online-Boulevards die bessere Themenwahl, gerade auch wegen der Straßengebühr und Palästina. Aber das ist nur meine Meinung und kann morgen schon wieder anders aussehen. Dummerweise hat sueddeutsche.de heute seine Chance verpasst, mich als Leser zu gewinnen. Leider.