Ob ich beim nächsten Umzug meine Bücher in viele Kartons packe oder den E-Reader einfach zum Laptop in die Tasche stecke, dieses Problem lässt sich einfach im Hauruckverfahren lösen – einmalig. Doch auch im Alltag habe ich das Papier für mich wiederentdeckt. Auf meinem Schreibtisch liegen wieder mehr Zettel – nicht Unerledigtes, schnell Hingekritzeltes, sondern Zettel, die zu meiner festen Arbeitsumgebung gehören.

Viele Produktivitätssysteme bauen darauf, dass man ein „system of trust“ schafft, wo man alle neuen Aufgaben und Ideen sammelt, ordnet und nach einem bestimmten Verfahren wieder hervorholt. Alles erhält seinen festen Platz. Bei Adressen und Terminen ist dieser am besten auf einem digitalen Träger, denn die E-Mail-Adressen werden vom E-Mail-Programm benötigt, die Telefonnummern vom Handy. Und wer einen Kalender auf mehreren Geräten führen will und auch mit anderen abgleichen, hat diesen sowieso online liegen.

Im Grunde ist dieses „system of trust“ nichts anderes als eine To-do-Liste, auf der kontinuierlich Punkte hinzugefügt und nach Erledigung wieder gestrichen werden. Es wäre sinnvoll, auf dem Arbeitsrechner die anstehenden Aufgaben ständig im Blick zu halten und auf dem Smartphone unterwegs neue Punkte hinzufügen zu können. Vorbildlich finde ich Todoist von Amir Salihefendic und Ta-da List von 37signals. Und dann stand ich plötzlich im Wald. Mit der frischen Luft und der Bewegung kamen mir gute Gedanken, aber mein Handy hatte keinen Netzempfang, zumindest keinen Internetzugang, nicht einmal GPRS.

Es geht um Fokus

Ich habe die Gedanken dann in einer einfachen Textdatei festgehalten, und so halte ich es jetzt auch generell: Listen, Gedanken und Texte speichere ich in TXT-Dateien oder in einem einfachen Outliner. Dank Dropbox sind sie auch überall verfügbar, alles läuft im Hintergrund. Und darin liegt auch schon das Problem. Das Verfahren ist so gut, dass ich einzelnen Bereichen kaum noch Aufmerksamkeit schenke. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, dass alle paar Minuten mein Rechner hupt oder blinkt. Das führt aber auch zu: aus den Augen aus dem Sinn. Da ich nicht wertvollen Platz auf dem Bildschirm meines Subnotebooks verschenken will und ich diesen auch mal ausgeschalte, habe ich jetzt wieder vermehrt Papier auf meinem Tisch liegen.

Die Telefonnotiz gab es auch schon in meiner papierarmen Zeit (während des Gesprächs zu tippen, ist mir dann doch zu blöd) oder den Zettel mit der Uhrzeit, wann die Waschmaschine durchgelaufen ist. Ich habe jetzt hier aber auch einen Zettel liegen, der meinen Tag strukturiert. Morgens oder am Abend zuvor schreibe ich darauf in ein Feld ein paar Aufgaben, die ich nebenbei erledigen will, die aber unbedingt von der To-do-Liste gestrichen werden müssen. Der Rest dieser Liste bleibt mir für den Tag aus dem Blick.

Es geht hier um Fokus, den allerdings auch die vielen Apps versprechen, die hupen und blinken – aber das mag ich ja nicht. Auf dem Zettel finden sich dann auch Felder für die Hauptaufgaben des Tages, die Projekte, konzentriertes Arbeiten über einen längeren Zeitraum, wo sich auch erst beim Arbeiten neue Punkte ergeben, da kann dann auch gekritzelt werden wie früher im Schulheft oder heute noch während des Telefonats. Das fördert die Kreativität und geht auch schneller neben dem Rechner, als die aktuelle Tätigkeit zu unterbrechen und ins To-do-Programm zu wechseln. Schließlich gibt es noch ein Feld für wiederkehrende Aufgaben, tägliche Dinge, die man gerne vergisst, einfach zum Abhaken.

Wander- und Visitenkarten

Noch zwei Beispiele, wo ich die elektronischen Lösungen hübsch, aber nicht immer praktisch finde. Zum einen ist das die Wanderkarte. Ich brauche kein GPS, um mich zu orientieren, eine gute topografische Karte reicht mir. Am heimischen Rechner ausgedruckt und in eine Plastikhülle gesteckt. Und wenn ich denn mal das Smartphone im Wald gezückt habe, fand das Teil vor lauter Bäumen die Satelliten nicht. Und wenn die Position schon vor dem Betreten des Waldes bestimmt und der Weg nur approximiert wurde, lag ich bei der Suche nach dem Einstieg in den Seitenpfad schon mal 5-10 Meter daneben. Und schließlich halten viele Smartphones mit GPS und ständigem Kartennachladen auch nur drei Stunden durch. Das ist zu kurz für eine Wanderung.

Das zweite Beispiel ist die Visitenkarte. Wie die To-do-Liste wird diese ständig neu erfunden. Da werden umständlich Bluetooth-Verbindungen zwischen zwei Smartphones aufgebaut – demnächst auch per NFC. Da nimmt man dem Gegenüber das Handy aus der Hand, wählt die eigene Nummer, lässt einmal klingeln und legt auf. Was aber anscheinend niemand versteht, die Karte ist auch dazu da, dass man während des Gesprächs ein Blick darauf werfen kann, wenn man nicht mehr weiß, wie der Name ausgesprochen wird, oder man sich nochmal vergewissern möchte, ob derjenige überhaupt in der Position ist, für sein Unternehmen solche Zusagen zu machen.