Vor ein paar Jahren hat Benjamin Stuckrad-Barre eine Hymne auf den iPod gehalten und angeblich begonnen, seine 3.000 CDs und Schallplatten zu verkaufen. Der Spott war schnell zur Stelle, denn eines hatte er nicht bedacht: Wenn er die Tonträger verkauft, verliert er auch die Nutzungsrechte an den Stücken auf seinem iPod. So hieß es. Ich bin aber kein Jurist, um die Spitzfindigkeiten dieses Falles angemessen beurteilen zu können. Wer etwas liebgewonnen hat wie seine Musiksammlung, versucht es jedenfalls zu erhalten, auch wenn sich alles drumherum ändert. Ich habe begonnen, meine Bücher zu verkaufen.

Wer sich jetzt ausmalt, wie ich am Scanner stehe und die Bücher digitalisiere, bevor ich sie aus der Hand gebe, den muss ich leider enttäuschen. Und nein, weder Google noch Apple bietet einen Dienst an, wo man das Papier gegen eine digitale Ausgabe in der Cloud oder auf dem iPad eintauschen kann. Wenn das Buch weg ist, ist es weg. Und falls ich dennoch auf den Gedanken kommen sollte, es ein weiteres Mal lesen zu wollen, müsste ich es erneut kaufen. Aus diesem Grund verkaufe ich auch nicht alle Bücher, sondern nur die Schmuckware.

Diejenigen, die gerne lesen, erkennen sich in der Regel schnell. Wenn man dann allerdings anbietet, ein Buch zu verleihen, kommt oft ein simpler Einwand: Ich will es besitzen. Einleuchtend. Für mich zumindest. Lange Zeit. Um einem falschen Eindruck vorzubeugen: Ich habe keine Wände voller Bücher. Es war mal ein großes Regal voll. Das sind ein paar hundert Bücher, aber nicht zig tausend wie bei anderen. Bei meinen Umzügen jedoch hatte ich diese zu schleppen. So ein Quatsch. Das standen tolle Namen in meinem Regal, die aus den Büchern eine Sammlung machen, aber zur Hand genommen hatte ich davon kaum noch eines.

Ballast abwerfen – doch zu welchem Preis?

Von Zeit zu Zeit gehe ich auch meine Musiksammlung durch und lösche das eine oder andere Album. Notwendig ist das jedoch nicht angesichts günstiger Festplatten. Das wäre höchstens eine Frage der Organisation, wie man aus dem Gesamtbestand die Stücke oder Alben auswählt, auf die man ständig Zugriff haben möchte, sozusagen eine Meta-Playlist. Der Rest wanderte ins Archiv.

Die Bücher, die im Regal verbleiben, will ich entweder ein weiteres Mal lesen, oder ich habe sie noch nicht gelesen, oder sie sind im weiteren Sinne Nachschlagewerke. Das lässt sich aber nicht an einem einzigen Sonntagnachmittag entscheiden. Ich dampfe den Bestand nach und nach ein, biete pro Woche zwanzig Bücher bei Ebay an, verkaufe vielleicht vier oder fünf. Mittlerweile stelle ich auch Bücher online, wo ich am Anfang gedachte hatte: Das bleibt. Es fühlt sich gut an, Ballast abzuwerfen.

Die größte Überwindung war für mich, zu Beginn zu sehen, wie die Bücher unter Wert weggingen. Ich weiß, was sie gekostet haben, und den gebrauchten Wert habe ich – für mich – viel höher angesetzt. Ein nicht unbekanntes Phänomen. Ich versuchte den Preis zu optimieren, erkundigte mich nach alternativen Plattformen, die es durchaus gibt, denen ich aber nicht vertraute, ohne sie jemals getestet zu haben, ich zog mit der Masse und stellte die ersten Bücher bei Ebay ein.

Zuglektüre und Hegel – es entscheidet der Markt

Der Köder muss dem Fisch schmecken, dachte ich mir und versuchte es mit Ingrid Nolls Die Apothekerin. Ich habe das Buch mal vor einer Zugfahrt gekauft und auch während dieser aufgelesen. Bonn-Lübeck war es, glaube ich. Ein leichter Stoff, vom Umfang gerade richtig. Zuglektüre halt. Das Buch verkaufte sich einfach nicht. Es gibt auf Ebay ein Überangebot an leichter Literatur. Meine Verkaufserfolge haben mich dann aber überrascht: Ein Gespräch zwischen Erich Fried und Hermann Müller sowie Jürgen Habermas‘ Faktizität und Geltung, letzteres ungelesen.

Ich versuche den potentiellen Käufern ein gutes Gefühl zu geben, flechte Formulierungen wie „mit sehr viel Sorgfalt gelesen“ ein oder „ohne Knicke auf dem Rücken des Taschenbuches“. Ich melde mich auch immer beim Verkäufer, wenn ich ein Buch zur Post gebracht habe und weise darauf hin, dass Büchersendungen immer ein paar Tage brauchen können. Ich erhoffe mir dadurch eine positive Bewertung, erwarte aber keine Antwort darauf. In zwei von zig Fällen habe ich jedoch eine bekommen, mit einem Dankeschön, beim schon oben erwähnten Habermas und bei Hegels Phänomenologie des Geistes, ebenfalls zu einem guten Preis weggegangen.

Am besten verdient die Post

Es gibt allerdings auch Bücher, die ich für unverkaufbar halte. Das trifft zu, wenn ich die ersten Seiten des Buches dazu genutzt habe, meine Eindrücke zu verewigen, quasi als Tagebuchersatz. Das wäre mir peinlich, diese Bücher aus der Hand zu geben. Das eine oder andere Buch ist deshalb schon in das Altpapier gewandert. Ich trenne mich also auch von Büchern, ohne Geld dafür zu erhalten. Bei abgenutzten Büchern gibt es die Alternative, diese an öffentlichen Plätzen auszulegen. In einigen Städten gibt es Bücherschränke, wo sich jeder bedienen kann, oder in Cafes ein Regal oder eine Fensterbank.

Wobei mir allerdings immer noch das Herz blutet, ist der Gang zur Post. Dass ein Buch, für das ich fünfzehn oder zwanzig Euro gezahlt habe, für drei Euro weggeht, ist okay. Aber während Amazon mir dieses Buch kostenlos geschickt hat, geht von den drei Euro die Hälfte an die Post. Ebay schreibt eine Versandkostenpauschale von zwei Euro vor, viele Bücher gehen für das Mindestgebot von einem Euro weg. Porto plus Verpackung kosten je nach Gewicht und Größe einen Euro oder einen Euro fuffzig. Wenn ich dort am Schalter stehe, sehe ich daneben einen großen Wagen mit vielen Paketen von Amazon und Zalando. In den meisten Fällen werden das Retouren sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Post den Unternehmen dafür die vollen Gebühren abknöpft.