Wenn ich in den unendlichen Weiten des Internets ein Blog entdecke, das es auf meine Leseliste schafft, dann ist dieses meist neu und wird von Jüngeren geschrieben. Penelope Trunk ist sogar etwas älter als ich und schreibt ihr Blog seit 2001. Das Blog ist also nicht neu und wurde auch nicht von mir neu, also wiederentdeckt, ich habe vor kurzem das erste Mal davon erfahren. Penelope berichtet über Startups und Produktivität und ist in den USA gut vernetzt, nicht nur in der Blogosphäre, sondern auch in den traditionellen Medien. Ich wundere mich, dass ich bisher noch nichts von ihr gehört habe, und bin fasziniert von dem, was sie und vor allem wie sie schreibt.

Penelope erzählt sehr persönlich, man erfährt sehr viel über sie, über ihre beiden Kinder und über ihren Mann, den sie nur „the farmer“ nennt. Sie hat drei Startups gegründet, lebt aber jetzt außerhalb von Madison, Wisconsin mit Ziegen und Schweinen. Vor allem erzählt sie in jedem zweiten Beitrag, dass sie Asperger hat, und all die peinlichen Situationen, die damit einhergehen, dass sie menschliche Körpersprache nur schlecht lesen kann, bis hin (und das ist jetzt nicht streng kausal gemeint) zu häuslicher Gewalt. Sie zeigt die Verletzungen an ihrem Körper und schreibt kurz darauf, weshalb sie bei ihrem Mann bleibt. „Life is a rollercoaster“ – allein schon in Penelopes Kopf, und sie hat auch die Gabe, dieses in Worte fassen zu können.

Preisgeben und Grenzen ziehen

It’s fun to read. Das ist auch schon der Grund, dass ich das Blog lese. Manche Blogs sind interessant – für zwanzig Einträge, für ein halbes Jahr. Dann habe ich die Botschaft verstanden und alles erscheint nur noch wiedergekäut. So ging es mir zum Beispiel mit Tim Ferriss (4-hour workweek) und Leo Barbauta (zenhabits). Jetzt verdrehe ich nur noch die Augen, wenn ich von beiden etwas mitbekomme, nach Wochen und Monaten, und es liest sich genauso wie vor einem Jahr. Was für eine Zeitverschwendung.

Neue Blogs lese ich in der umgekehrten Reihenfolge, wie sie geschrieben wurden. Ich gehe, heute beginnend, in der Zeit zurück. Penelope verlinkt viel alte Einträge, ich folge aber nicht diesen Links, mir fehlt dann oft eine Information, und wenn ich dann rückwärts gehend zu diesem Stück gelange, dann erst löst es sich auf, und ich weiß sogar, was sie später daraus gemacht hat. Ein Blog vom ersten Beitrag an zu lesen, ich glaube, das funktioniert nicht. Ein Jahr bin ich schon in Penelopes Vergangenheit zurückgegangen, ich bin gespannt, wie weit ich kommen werde.

Die Erklärung ist aber wohl zu kurz gegriffen, dass es Spaß macht, Penelopes Leben durch ihre Texte zu begleiten. Sie weiß genau, was sie von sich preisgibt, und sie zieht auch Grenzen. Sie schreibt sehr viel Persönliches über ihre beste Freundin, die aber ihrerseits nichts über Penelope öffentlich sagen darf, nicht einmal zu einer Arbeitskollegin. Penelope ist ein Muster dafür, wie man bloggen sollte, wenn man das überhaupt so pauschal sagen kann.

Immer wieder neue Nuancen

Sie bringt sich ein, aber nicht zu stark, sie erzählt nicht einfach nur von sich, sondern teilt immer auch etwas mit, von dem man lernen kann. Sie zeigt sich verletztlich, sie zeigt ihre Schwächen, sie macht diese zum Thema. Und sie hat die Fähigkeit, den Blick nicht immer auf dieselbe Stelle zu richten, sondern neue Seiten zu beleuchten oder jede Seite immer wieder neu zu beleuchten. Es werden stets neue Nuancen offenbar, sodass über die Zeit ein Bild wächst, das immer vollständiger wird (so hat man zumindest den Eindruck).

Das sind im Übrigen auch die Kriterien, nach denen die meisten deutschsprachigen Blogs, die ich 2007 gelesen habe, aus meinem Feedreader geflogen sind. Ich bin die ewige Medienkritik leid. Da geht es doch bloß um Unterhaltung auf Kosten anderer oder um die Bestätigung der eigenen Meinung. Ich würde mich aber gerne wieder hierzulande einlesen. Wer gute deutschsprachige Blogs empfehlen kann, bitte melden.