Werbung ist das Heroin des Onlinejournalismus. Wenn die ersten Buchungen eintrudeln bzw. die ersten Überweisungen, macht es glücklich. Man schreibt, man schreibt, man schreibt. Und plötzlich ist Geld auf dem Konto. Es wirkt sofort. Man will mehr davon.

Dummerweise ist das auch notwendig, denn die hohen TKP-Preise, die vor 2008 gezahlt wurden, gibt es nicht mehr in dieser Form. Da mögen die Unternehmen ihre Ausgaben für Onlinewerbung weiter steigern, doch immer mehr Websitebetreiber wollen daran teilhaben. Sie schaffen immer neue Werbeflächen. Wer es gut macht, kann davon leben. Der Rest stellt sich unter die Gießkanne und hofft, genug abzubekommen. Mit anderen Worten: immer auf der Suche nach dem nächsten Fix.

Die Onlineverleger könnten jetzt frohlocken: Golem startet „Golem pur“. Für 2,50 Euro im Monat lässt sich das komplette Angebot ohne Werbung konsumieren. Hurra! Endlich geht einer voran. Der Leser lernt, dass es so doch viel besser ist. Schließlich gewöhnt er sich daran, für gute Inhalte zu zahlen. Und im letzten Schritt wird dann auch beim eigenen Angebot die Paywall hochgezogen. Es brechen goldene Zeiten im Onlinejournalismus an. Oder?

Widerspruch zum Wertempfinden

Die Idee, eine zweite, werbefreie Version des eigenen Angebots gegen Geld zu offerieren, ist so 2003. Der Unterschied zu heute ist: Damals haben noch wenige Leute sich im Internet mit Informationen versorgt, dann aber meist bei wenigen Angeboten. Man war treu. Heute wird jedoch quer durch die Angebote gesprungen und jeder Link angeklickt, der bei Facebook und Twitter angepriesen wird.

Wer bei zehn seiner Ich-schau-täglich-mal-vorbei-Angeboten 2,50 Euro im Monat zahlen würde, müsste schon mehr blechen als für die GEZ. Das wäre einfach zu viel. Angenommen, Golem wäre erfolgreich und die anderen würden nachziehen: Irgendwann würden die kleineren Angebote ihre Abonnenten wieder verlieren. Das Geld würde zu den großen wandern. Und wenn jemand für Golem 2,50 Euro zahlt, wieviel müsste er dann hochgerechnet für Spiegel Online zahlen? Oder für die FAZ? 10 Euro im Monat? Diese Proportionen haben die Leute im Kopf.

Der Trick ist folgender: Niemand wird gezwungen, die Gebühr zu zahlen. Alle Inhalte lassen sich auch sehen, ohne dass dafür gezahlt wird. Dann ist halt Werbung drauf. Nur das widerspricht dem Wertempfinden. Der Leser zahlt dann nicht die 2,50 Euro für gute Inhalte, sondern für die Abwesenheit von Werbung. Dafür werden aber weniger zum Portemonnaie greifen, als wenn wirklich für die Inhalte gezahlt werden müsste. Die Leute zahlen nicht für etwas, dass es gleichzeitig kostenlos gibt. Die Motivation zu überweisen wäre letztlich karitativ, ein pity payment.

Um aber nicht nur zu meckern: Was ließe sich denn konkret umsetzen?

1. Journalistische Arbeit muss einen Wert haben. Wofür der Leser zahlt, darf nicht frei im Netz verfügbar sein. Diesen Schritt wird kaum einer wagen, denn er ist groß. Aber vielleicht könnten zuerst Teile hinter der Paywall verschwinden, zugänglich für einen kleinen Betrag. Videos, Kolumnen oder eine Tarifdatenbank. Dann aber exklusiv.

2. Der Leser will nur einmal zahlen, dann aber Zugriff auf mehrere Quellen haben. Oder anders gesagt: Es muss eine Obergrenze geben für das, was er zahlt. Das lässt sich nur realisieren, wenn sich mehrere Angebote zusammenschließen würden: Ein Angebot für 2,50 Euro im Monat, drei Angebote für 5 Euro und zehn Angebote für 7 Euro. Oder: die Politik der ZEIT, das Feuilleton der FAZ, die Technik von Golem und den Sport vom Kicker – alles zusammen für einen Festbetrag. So in etwa.

Update vom 12. Januar 2015

Golem hat eine erste Bilanz veröffentlicht. Zum Jahreswechsel wurden 1.638 Abonnenten gezählt, die mit monatlich 3.680 Euro fast eine Redakteursstelle finanzieren – bei einem zwanzigköpfigen Team. Das sind nicht viele Abonnenten, das ist auch nicht viel Geld. Aber einer mehr im Team, das kann einen Unterschied machen. Herzlichen Glückwunsch!